In diesem Artikel erfahren Sie, wie Sie mit Hilfe der Van-Westendorp-Methode mit wenig Aufwand die Zahlungsbereitschaft und Preissensibilität bei Ihren Kunden ermitteln können. Sie bekommen praktische Infos zum methodischen Vorgehen und Hinweise zur richtigen Interpretation der Ergebnisse. (Lesezeit: 5 Minuten)
Mit Hilfe des Price Sensitivity Meters von van Westendorp lässt sich mit vergleichsweise geringem Erhebungs- und Analyseaufwand die Zahlungsbereitschaft und Preissensibilität von Kunden untersuchen. Das Ziel ist die Ermittlung einer für die Kunden akzeptablen Preisspanne für ein Produkt oder eine Serviceleistung. Daneben können Preispunkte definiert werden, die Auskunft über den marktüblichen Referenzpreis (Indifferenzpreis) und den Preis mit dem geringsten zu erwartenden Kaufwiderstand der Kunden (Optimalpreis) geben.
Wie die Gabor-Granger-Methode basiert van Westendorps Verfahren auf einer direkten Preisabfrage bei (kaufinteressierten) Kunden. Im Rahmen einer Kundenbefragung oder Marktstudie werden die Befragten nach den Preisen für ein Produkt oder eine Serviceleistung gefragt, die sie als
empfinden. Der ursprüngliche Ansatz von van Westendorp sieht vor, dass die Befragten sich bei der Angabe der Preise auf eine vorgegebene Preisskala (zum Beispiel Preise zwischen 0 und 50 €) stützen können. In der Praxis findet aber oft auch die ungestützte Preisabfrage ohne Vorgabe von unteren und oberen Preisgrenzen Verwendung.
Im Rahmen der Auswertung der durch die Van-Westendorp-Methode erhobenen Daten werden die kumulierten Häufigkeiten der genannten Preise für jede der vier Teilfragen berechnet und in einem Liniendiagramm abgetragen (x-Achse: Preis, y-Achse: kumulierte Häufigkeit).
Der Indifferenzpreis (Indifference Price Point / IDP) ergibt sich nun aus dem Schnittpunkt der Kurven günstig und teuer (im unteren Beispieldiagramm bei 14,30 €). Diesen Preis empfinden ebenso viele Befragte als günstig wie als teuer (im Beispiel je 38 %). Der Indifferenzpreis kann als marktüblicher Referenzpreis angesehen werden, der von den Verbrauchern für ein qualitativ angemessenes Produkt- oder eine Serviceleistung erwartet wird. Nach dem Ansatz von van Westendorp entspricht dieser Preis oft dem durchschnittlichen Marktpreis oder dem Preisniveau des Marktführers.
Der Schnittpunkt der Kurven zu günstig und zu teuer (im Beispiel bei 12,70 €) bestimmt den Optimalpreis (Optimal Price Point / OPP). An diesem Punkt entspricht der Anteil der Befragten, die den Preis als zu günstig einstufen, dem Anteil der Befragten, die den Preis als zu teuer bewerten (im Beispiel je 7 %). Gemäß der Van-Westendorp-Analyse ist an diesem Punkt der preisbedingte Kaufwiderstand am geringsten – dieser Preispunkt ist also „optimal“ im Sinne einer Minimierung des Kaufwiderstands.
Um die für die Verbraucher akzeptable Preisspanne zu ermitteln, werden zunächst die Kurven günstig und teuer invertiert. Die so erzeugten Kurven nicht günstig und nicht teuer werden dann gemeinsam mit den Kurven zu günstig und zu teuer in einem Diagramm abgetragen. Die Schnittpunkte der Kurven nicht günstig und zu günstig sowie nicht teuer und zu teuer bilden dann die Unter- und Obergrenze der von den Verbrauchern akzeptierten Preisspanne.
In obigem Beispiel liegt diese Preisspanne zwischen 10,50 € und 17,00 €. Bei Preisen unterhalb der unteren Preisgrenze ist der Anteil an Befragten, die den Preis als zu günstig empfinden, höher als der Anteil derjenigen, die den Preis als nicht günstig einstufen. Unter der Annahme, dass die Kaufbereitschaft der Verbraucher bei Produkten, die aufgrund eines zu günstigen Preises als qualitativ minderwertig angesehen werden, sehr gering ist, muss unterhalb dieser Preisgrenze daher mit stark reduzierten Absatzzahlen gerechnet werden.
Bei Preisen oberhalb der oberen Preisgrenze liegt der Anteil der Befragten, die das Produkt als zu teuer ansehen, über dem Anteil derjenigen, die das Produkt als nicht teuer ansehen. Entsprechend ist auch hier bei Preisen oberhalb der Preisgrenze mit stark verringerten Absatzzahlen aufgrund des erhöhten preisbedingten Kaufwiderstands zu rechnen.
Den Annahmen des Price-Sensitivity-Meter-Modells folgend, liegt damit der Großteil der marktüblichen Preise für ein Produkt oder eine Serviceleistung innerhalb der akzeptierten Preisspanne.
Das Price Sensitivity Meter von van Westendorp gibt Auskunft über die Preispräferenzen der Verbraucher, die konkrete Kaufabsicht bleibt aber ausgeblendet. Aussagen zur erwarteten Nachfrage und dem zu erwartenden Umsatz können allein auf Basis dieses Ansatzes nicht getroffen werden. Diesem blinden Fleck kann mit dem erweiterten Untersuchungsansatz von Newton, Miller und Smith begegnet werden. Hierbei werden den Befragten im Anschluss an die Preisabfrage der Van-Westendorp-Methode zwei weitere Fragen gestellt: Die Befragten geben auf einer fünfstufigen Skala jeweils an, wie wahrscheinlich es ist, dass sie das Produkt zu dem (von ihnen im Vorfeld genannten) teuren bzw. günstigen Preis kaufen würden.
Für die als zu günstig bzw. zu teuer eingestuften Preise gilt die Annahme, dass keine nennenswerte Kaufbereitschaft seitens der Verbraucher zu erwarten ist (Kaufwahrscheinlichkeit = 0; diese Annahme kann im Analysemodell bei Bedarf auch verworfen werden, wenn beispielsweise davon ausgegangen werden kann, dass bei zu günstigen Preisen dennoch eine relevante Käufergruppe existiert). Die im Fragebogen angegebene Kaufwahrscheinlichkeit (überhaupt nicht wahrscheinlich bis sehr wahrscheinlich) für die günstigen und teuren Preise wird nun in eine numerische Wahrscheinlichkeit transformiert (zum Beispiel sehr wahrscheinlich = 0,7, eher wahrscheinlich = 0,5 etc.). Durch Aggregation der numerischen Kaufwahrscheinlichkeiten über alle Befragten und Preise lassen sich schließlich die inverse Nachfragefunktion sowie die Umsatzfunktion ermitteln und grafisch darstellen.
Um van Westendorps Price Sensitivity Meter sinnvoll anwenden zu können, sollten die Befragten das entsprechende Produkt bereits gut kennen bzw. sich eine konkrete Vorstellung davon machen können. Insbesondere Produkte, die in verschiedenen Variationen auf dem Markt angeboten werden, sollten daher vor der eigentlichen Abfrage der Preispräferenzen möglichst anschaulich dargestellt bzw. deren Produkteigenschaften klar definiert werden. Auch für die Preisabfrage bei neuen Produkten bzw. Produktinnovationen gilt, dass das Produkt und dessen Produkteigenschaften im Vorfeld ausführlich erläutert und präsentiert werden müssen. Im Rahmen einer Online-Umfrage lässt sich eine solche Produktvorstellung durch die Einbindung von Bildern oder Produktvideos leicht realisieren.
Besonders zufriedenstellende Ergebnisse zeigt die Van-Westendorp-Methode empirisch bei günstigen, alltäglichen Konsumgütern (Fast Moving Consumer Goods) sowie bei Produkten mit wenig variablen bzw. bereits fest definierten Produkteigenschaften. Auch bei der Erhebung von Preispräferenzen bei Dienstleistungen und Services kann das Verfahren eingesetzt werden. Für Nischenprodukte ist es dagegen weniger geeignet.
Die Grenzen des Verfahrens liegen in der Vernachlässigung der Wettbewerbssituation und der reinen Fokussierung auf den Preis, während andere (variable) Produkteigenschaften unberücksichtigt bleiben (für eine ganzheitliche Sichtweise unter Einbezug der Konkurrenz stehen aufwendigere und komplexere Methoden wie die Conjoint-Analyse zur Verfügung). Nimmt man diese Einschränkungen in Kauf, bietet die Van-Westendorp-Methode – insbesondere in Verbindung mit der Newton-Miller-Smith-Erweiterung zur Berücksichtigung der Kaufabsicht – aber eine praktikable Möglichkeit, (erste) wertvolle Informationen zur Preisfindung eines Produkts oder Services zu gewinnen.
Sie möchten die Zahlungsbereitschaft Ihrer Kunden näher unter die Lupe nehmen?
Quellen:
Müller, H. (2006): Messung der Preiswahrnehmung mittels Pricesensitivity-Meter (PSM): Eine experimentelle Längsschnittanalyse des deutschen Zigarettenmarktes. Working paper series. FEMM Working Paper No. 21, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.
Newton, D., Miller, J. & Smith, P. (1993): A market acceptance extension to traditional price sensitivity measurement. Proceedings of the American Marketing Association Advanced Research Techniques Forum.
Van Westendorp, P. (1976): NSS-Price Sensitivity Meter (PSM) – A new approach to study consumer perception of price. Proceedings of the ESOMAR Congress.
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