TURF-Analyse

In diesem Artikel wird die TURF-Analyse als Verfahren zur Optimierung des Produktportfolios näher vorgestellt. Sie lernen die theoretischen Hintergründe kennen und erfahren, wie eine TURF-Analyse durchgeführt wird. (Lesezeit: 7 Minuten)

Hintergrund und Zielsetzung

Die TURF-Analyse (Total Unduplicated Reach and Frequency) hat ihren Ursprung in der Mediaforschung und wurde dort zur Messung der Reichweite von Medienkampagnen entwickelt. In diesem Kontext wird mit Hilfe der TURF-Analyse ermittelt, mit welcher Kombination von Kanälen (Print, TV, Radio etc.) die meisten Personen der Zielgruppe mindestens einmal erreicht werden können (Unduplicated Reach) und wie oft die erreichte Zielgruppe durch die verschiedenen Kanäle insgesamt auf die Kampagne (zum Beispiel Werbekampagne) aufmerksam gemacht wird (Frequency). Das Ziel besteht also darin, die Reichweite der Kampagne und die Häufigkeit des Kampagnenkontakts – in Abhängigkeit des verfügbaren Budgets – zu maximieren.

 

Dieser methodische Ansatz lässt sich auch auf Fragestellungen außerhalb der Mediaforschung übertragen. Die TURF-Analyse dient dann als Werkzeug zur Optimierung des Produktportfolios. Analog zum Ansatz der Mediaforschung soll diejenige Kombination an Produkten ermittelt werden, die den größten Anteil der Zielgruppe anspricht (mindestens ein Produkt relevant = Reach oder Reichweite). Daneben kann ebenso wieder die Frequenz (Frequency oder auch Depth) angegeben werden. Diese besteht entsprechend aus der Summe aller Produkte, die für die Zielgruppe von Interesse sind bzw. die sie kaufen würden.    

 

Die TURF-Analyse zur optimalen Ausgestaltung des Produktportfolios wird insbesondere dann relevant, wenn das anzubietende Sortiment aufgrund von räumlichen (Lager bzw. zur Verfügung stehende Verkaufsfläche), preislichen (zum Beispiel begrenztes Budget) oder anderen Gründen limitiert werden muss und daher nicht alle in Frage kommenden Produkte oder Produktkombinationen angeboten werden können. Das klassische Beispiel ist hier die Eisdiele, die herausfinden möchte, mit welchen Eissorten die meisten Kunden angesprochen und der Absatz maximiert werden kann. Ein weiterer Anwendungsfall, der auch im Folgenden als Beispiel dienen soll, wäre ein kleines Hotel, das seinen Gästen einen neu gestalteten Fitnessraum anbieten will. Aufgrund der beschränkten räumlichen Kapazitäten und einem begrenzten Budget steht das Hotel nun vor der Entscheidung, welche Kombination von Trainingsgeräten die meisten fitnessinteressierten Besucher anspricht. Die Antworten hierauf liefert die TURF-Analyse.

Durchführung der TURF-Analyse – an einem Beispiel erläutert

In einem ersten Schritt muss ermittelt werden, welche Produktpräferenzen die Zielgruppe hat. Hierfür wird im Rahmen einer Zielgruppenbefragung erfragt, welche Produkte bzw. Produktvarianten von der Zielgruppe genutzt bzw. gekauft werden würden. Die Abfrage kann je nach Anwendungsfall entweder in Form einer Mehrfachauswahl (alle relevanten Produkte ankreuzen), einer binären Abfrage (würde ich kaufen / nutzen bzw. nicht kaufen / nutzen) oder als Ratingfrage (zum Beispiel Angabe der Kaufwahrscheinlichkeit) erfolgen. Die Datenerhebung selbst wird in den meisten Fällen als Online-Umfrage umgesetzt und ist oft Teil einer Marktstudie oder einer umfangreicheren Kundenbefragung.

 

Im nächsten Schritt werden die Antworten der Befragten entsprechend ihrer Angaben codiert und in einer Datentabelle zusammengefasst. In der folgenden Abbildung sind beispielhaft die Antworten von fünf Befragten zu Ihren Nutzungspräferenzen von Fitnessgeräten aufgeführt (0 = keine Nutzung, 1 = Nutzung). 

Beispieldatensatz einer Befragung zur Nutzung von Fitnessgeräten für Durchführung einer TURF-Analyse
Auszug Beispieldatensatz als Datengrundlage einer TURF-Analyse

Auf Basis des so erstellten Datensatzes wird nun diejenige Produktkombination, die bei der Zielgruppe die maximale Reichweite erzielt, sowie die Frequenz ermittelt. Dies geschieht nach folgender Logik:

  • Reichweite: In obigem Beispieldatensatz würden 4 von 5 Befragten (80 %) mit einem Spin-Bike trainieren. Im Ein-Produkt-Fall hat das Spin-Bike im Vergleich zu allen anderen Geräten somit die größte Reichweite. Die Beinpresse ist mit 60 % der Nennungen (3 der 5 Befragten) isoliert betrachtet das zweitbeliebteste Trainingsgerät. Intuitiv könnte man daher annehmen, dass im Zwei-Produkt-Fall das Spin-Bike und die Beinpresse gemeinsam die höchste Reichweite erzielen. Allerdings nutzen alle Personen, die die Beinpresse nutzen, auch bereits das Spin-Bike. Durch die Beinpresse würden also keine weiteren zusätzlichen Personen angesprochen werden. Dagegen wird das Ergometer zwar nur von zwei Personen genutzt, wovon eine allerdings nicht das Spin-Bike nutzt. Durch die Kombination von Spin-Bike und Ergometer lässt sich in diesem einfachen Beispiel diese eine zusätzliche Person erreichen damit die höchste (in diesem Fall 100 %) Reichweite erzielen.
  • Frequenz: Die Frequenz der Kombination Spin-Bike und Ergometer ergibt sich aus der Summe der Nutzungen beider Geräte (4 Spin-Bike + 2 Ergometer = 6). Angenommen, das kleine Hotel hat im geplanten Fitnessraum neben dem Spin-Bike und dem Ergometer noch Platz für ein drittes Fitnessgerät. Mit den beiden Geräten werden bereits 100 % der Befragten angesprochen. Das dritte Produkt sollte also so gewählt werden, dass die Nutzungsfrequenz der drei Geräte maximiert wird. Dieses Ergebnis wird durch die Hinzunahme der Beinpresse erzielt. Die Frequenz für alle drei Geräte beträgt dann 9. Die Frequenz ist vor allem dann von Interesse, wenn es um Verbrauchsgüter geht und eine hohe Frequenz einen höheren Absatz verspricht (beispielsweise Eisverkauf). In diesem Fall kann auch eine Produktkombination, die eine besonders hohe Frequenz, aber nicht die höchste Reichweite hat, die bessere Wahl darstellen. Beim Fitnessgeräte-Beispiel ist die Frequenz dagegen nur von untergeordneter Bedeutung. 

Die Ergebnisse der TURF-Analyse lassen sich grafisch in einem Diagramm darstellen. Die folgende Abbildung zeigt das Ergebnis für die Gesamtstichprobe (fiktive Beispieldaten; n = 30) der Hotelbefragung zur optimalen Einrichtung eines Fitnessraums.  

Ergebnisdarstellung TURF-Analyse Ausstattung Fitnessraum
Ergebnisdiagramm TURF-Analyse

Im Diagramm ist die kumulierte Reichweite und Frequenz für maximal 5 Fitnessgeräte dargestellt. Mit einem Ergometer und einem Latzug werden bereits 70 % der Zielgruppe erreicht, mit dem Stepper sind es schon 90 % und durch Hinzunahme von Kraftstation (97 %) und Spin-Bike (100 %) lassen sich auch die verbliebenen 10 % erreichen. Die Frequenz ist hier als absolute Zahl dargestellt. Sie lässt sich aber auch als durchschnittliche Frequenz und als prozentuale Frequenz interpretieren:

  • Durchschnittliche Frequenz: Die durchschnittliche Frequenz ergibt sich aus der absoluten Frequenz dividiert durch die Anzahl der durch die jeweilige Produktkombination erreichten Personen. Im Beispiel werden durch die Produktkombination Ergometer und Latzug insgesamt 21 Personen (70 %) erreicht. Die absolute Frequenz beträgt 25, somit ergibt sich eine durchschnittliche Frequenz von 1,2. Im Durchschnitt nutzen bei der Kombination von Ergometer und Latzug die 21 erreichten Personen also 1,2 Geräte.
  • Prozentuale Frequenz: Die prozentuale Frequenz entspricht der erreichten Frequenz dividiert durch die maximal mögliche Frequenz (= Anzahl Produkte x Anzahl erreichte Personen). Im Beispiel könnte durch die 21 Nutzer von Ergometer und Latzug eine Maximalfrequenz von 42 erreicht werden (2 Produkte x 21 erreichte Personen). Die tatsächliche Frequenz liegt bei 25, die prozentuale Frequenz beträgt demnach 60 % (= 25 / 42).

Ergänzende Hinweise

Bei ausreichend hoher Stichprobengröße ist es oft sinnvoll, vergleichende TURF-Analyse nach verschiedenen soziodemografischen Merkmalen der Zielgruppe bzw. nach verschiedenen Kundengruppen durchzuführen. Das Produktportfolio kann so zum Beispiel auf die Kundengruppe mit dem höchsten Absatzpotential ausgerichtet werden. 

 

Bei der Ausgestaltung des Produktportfolios muss bei Produkten mit unterschiedlichem Preisniveau ggf. auch der Preis der einzelnen Produkte Berücksichtigung finden. Eventuell zeigt sich im Rahmen der TURF-Analyse, dass die Produktkombination mit der höchsten Reichweite aus den günstigsten Produkten mit der geringsten Gewinnspanne besteht. In solchen Fällen lässt sich mit einer Produktkombination mit geringerer Reichweite möglicherweise ein höherer Gewinn erwirtschaften.

 

Die TURF-Analyse stellt eine einfach durchzuführende Möglichkeit dar, das eigene Produktangebot im Hinblick auf Reichweite oder Kauffrequenz zu optimieren. Allerdings bleibt wie bei der Gabor-Granger- und der Van-Westendorp-Methode zur Preisforschung die Wettbewerbssituation zunächst unberücksichtigt. Dies stellt nicht immer ein Problem dar (im hier genutzten Beispiel des Hotel-Fitnessraums ist die Wettbewerbssituation zum Beispiel weniger relevant), kann aber bei manchen Anwendungsfällen eine entscheidende Einflussgröße sein. Falls aufgrund der Wettbewerbssituation starke Verzerrungen bei den Präferenzurteilen zu erwarten sind, können bereits bei der Datenerhebung Produkte bzw. Produktvarianten der Konkurrenz mitberücksichtigt und so das optimale Produktportfolio unter Einbezug von Konkurrenzprodukten ermittelt werden.

 

 

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